"Unser täglich' Brot gib' uns heute" – Predigt Bauernbundwallfahrt 2019
Predigt
Liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer!
Liebe Bauernbundfamilie!
Liebe Liebhaber und Liebhaberinnen der Gottesmutter von Mariazell!
Das waren jetzt starke Geschichten, die wir in der Bibel gehört haben. Es gibt ja Geschichten der Bibel, die uns erzählen, wie der Mensch handeln soll und es gibt Geschichten, die uns erzählen, wie Gott handelt. Heute haben wir einige Geschichten gehört, wie Gott handelt. Wenn ein Chef sagt: „Jetzt mache ich das selber,“ dann muss man darüber nachdenken, was das jetzt bedeutet. Es könnte ja auch sein, daheim einmal, dass der Vater sagt: „Du, Mama, das mache jetzt ich!“ Dann wissen die Kinder oft noch nicht, wie das ausgehen wird. „Lass jetzt mich das machen,“ sagt Gott zu Mose. „Jetzt lass mich!“ sagt er, (Ex 32,10) „mit diesem Volk einmal umgehen.“ Mose war nämlich mit Gott am Berg und das hat ihm so gefallen, dass er vergessen hat, dass er ein Volk hat. Und jetzt steigt er hinunter zu seinem Volk und die haben inzwischen ein goldenes Kalb (vgl. Ex 32,8) gebastelt, haben sich ganz anderen Sinnangeboten zugewandt und Gott sagt: „Mose, pass auf! Du hast dein Volk nicht mehr im Griff, jetzt mache ich das! Jetzt lass mich!“ Und Mose merkt, dass er jetzt eingreifen muss. „Da versuchte Mose, den Herrn, seinen Gott, zu besänftigen, und sagte: Warum, Herr, ist dein Zorn gegen dein Volk entbrannt?“ (Ex 32,11). ER sagt also „Da brauchst du jetzt nicht emotional sein, sondern schau, was du eigentlich schon bisher gemacht hast, für das Volk. Du hast uns ja herausgeführt aus dieser auf den Tod hin orientierten Gesellschaft in Ägypten, wo man nur Pyramiden für die Verstorbenen baut. Du hast uns ja schon durchs Rote Meer geführt, du hast schon so viel gemacht, du wirst jetzt nicht anders handeln!“. Und er schafft es; Mose schafft das: „Da ließ sich der Herr das Böse reuen, das er seinem Volk angedroht hatte.“ (Ex 32,14)
Heute denke ich mir: „Leopold Figl war auch so einer.“ Er hat auch gesagt: „Herrgott, jetzt schau dir bitte unser österreichisches Volk an, das so fromm ist und so gläubig ist. Du wirst es doch nicht da, in dieser Unfreiheit lassen!“ Wer weiß, was Figl alles mit Gott ausgehandelt hatte; weil er aber mit seinem Gott ausgehandelt hat, deshalb sind wir heute hier. Wäre das nicht so ausgegangen, wie in der Lesung mit Mose und seinem Gott, mit Leopold Figl, wären wir heute nicht hier, aber er hat es irgendwie geschafft. Gott hat Österreich Freiheit geschenkt und wir sind hier, in dieser guten Tradition, wo Niederösterreich im Miteinander vor der Gottesmutter ist, um hier zu sichern, wer uns Orientierung gibt und wer uns Hilfe gibt, um zu sichern, wer unser Gott ist. Und da ist diese symbolische Wirklichkeit, die wir hier erfahren haben, nicht hoch genug einzuschätzen. Der Bauernbundobmann liest die erste Lesung und die Bauernbunddirektorin liest die zweite Lesung. So: Dann weiß der Bauernbund, wie man auf Gott hin ausgerichtet ist. Allein diese Tatsache, dass heute so viele da sind und sich ausrichten auf Gott hin, lässt uns hoffen, dass das, was wir erarbeitet haben, was die Menschen geschaffen haben, dass darauf ein Segen liegt und deshalb sind wir heute hier. Wir sind hier, um zu sagen: „Gott, vergiss unser Land nicht! Greif nicht so durch in deiner Emotion, sondern schau auf das, was wir geschaffen haben! Komm in deiner barmherzigen, väterlichen Liebe!“ Deshalb dann auch die anderen drei Geschichten aus dem Evangelium: mit dem verlorenen Schaf, mit der verlorenen Drachme (vgl. Lk 15,1–10) und den verlorenen Söhnen (vgl. Lk 15,11–32). Es sind ja beide verloren, der, der weg war und der, der daheim ist, ist ja auch verloren, weil er nicht kapiert hat, worum es da geht.
Das ist schon eine starke Geschichte: Da geht jemand weg, setzt gleichsam den Vater ab. Zu Lebzeiten das Erbe antreten hieß ja damals, den Vater für Tod erklären. Und jetzt geht er weg. Es muss ja nicht immer ein Junger sein, der weggeht, manchmal gehen auch ältere weg. Wie oft passiert es dann, dass jemand meint, sich selbst verwirklichen zu müssen und dann weggeht. Ob sie dann wieder heimkommen, weiß ich nicht – nicht immer. Was ihn ja heimgetrieben hat, den jungen Mann, war nicht die Reue, auch nicht die Einsicht, sondern der Hunger. Er hatte nichts mehr zu essen, deshalb ging er wieder heim. Es könnte ja auch sein, dass manchmal die Kinder wiederkommen, wenn das Geld ausgeht. Da fällt ihnen ja dann ein: „Ja, zu Hause haben wir einen Haustisch.“ Es ist ja gut, wenn sie kommen, aber da muss jemand warten. Der Vater hat gewartet, dass er wiederkommt, hat ihn umarmt und hat mit ihm ein Fest gefeiert.
„Was aber ist“, sagte mir eine Frau, „wenn das Kind nicht nach Hause kommt?“ Das gibt es ja auch. Da sage ich: „Dann müssen wir die Geschichte vorher lesen, jene mit dem verlorenen Schaf!“ Schauen wir: „Wo gibt es denn Leute, die klagen, die Hilfe suchen, die jemanden brauchen?“ Solche Situationen gibt es ja auch: Die, die dann nicht von sich aus mehr die Kraft haben zu kommen. Da muss man gehen, wie der Hirte. Der hat seine 99 Schafe in Sicherheit gebracht, sicher mit vielen Hirtenhunden, hat sie bewahrt vor dem Wolf, damit sie nicht angegriffen werden und dann ist er dem einen nachgegangen und hat das eine gesucht und heimgetragen. Es gibt auch welche, die man nicht klagen hört. Und da bin ich froh, dass wir die Geschichte von der Drachme haben. Eine Drachme klagt nicht und ist auch verloren. Die Frau sucht, sie sucht so lange, bis sie sie findet.
Schauen wir darauf:
– „Wo haben wir in unserem Plan diejenigen, die heimkommen wollen, in die große Familie (von Niederösterreich)?“ Die, die sagen: „Wir sind eigene Wege gegangen, aber wir sehen, das ist meine Heimat.“
– „Wo haben wir welche die klagen, die wir suchen müssen?“ Jene, wo wir sagen: „Wir helfen Euch. Wir lassen Euch nicht aus, wir haben ein Wort für Euch. Mehr noch: Wir haben für Euch Arbeit, wir haben für Euch Ansehen, wir haben für Euch Lebensermutigung.“
– „Wo gibt es welche in unserem Land, die nicht einmal klagen und die wir trotzdem suchen sollen, hinschauen sollen?“ Dazu werden wir ermutigt, von unserem Gott, wie unser Gott auf die Menschen zuzugehen und zu schauen: „Wer braucht etwas, sodass er spüren kann: Du bist von deinem Gott geliebt und getragen.“Unser Motto heißt: „Unser tägliches Brot gib‘ uns heute.“ Die Sehnsucht nach dem Brot hat den jungen Mann nach Hause geführt. „Unser tägliches Brot gib‘ uns heute.“
Brot ist für mich mehr als bloß ein Nahrungsmittel. Meine Mutter hat mir, solange sie lebte, wenn ich daheim war, immer ein Brot mitgegeben. Als kleinem Buben ins Seminar schon und nachher auch noch als Bischof: Solange sie backen konnte, hat sie mir Brot mitgegeben und heute macht das meine Schwägerin, auf dem Bauernhof zu Hause – auch sie gibt mir Brot mit. Brot ist das, wo ich als Kind gesehen habe: „Dafür muss der Vater arbeiten.“ Das Getreide reinigen, rausgehen – er hat noch mit dem großen Saattuch gesät, mit dem schweren, und wir Buben mussten vorgehen und steckten, wie weit er da gesät hat und dann wieder zurück – wir mussten da mitgehen. Dann das Bangen im Winter, ob genügend Schnee fällt, dass die Saat nicht erfriert, das Hinausschauen, ob Schnee kommt und im Frühjahr dann sind wir hinausgegangen – das machen wir heute noch, in meiner Familie – und dann brennt dort das Osterfeuer und dort stecken wir auf das Roggenfeld die Palmzweige, damit die Ernte gut wird. Das Wogen des blühenden Roggenfeldes – faszinierend – und dann gibt es nur einige Stunden, wo der Blütenstaub sich in die Landschaft wie ein Nebel hineinverbreitet. Ein faszinierendes Bild, bis dann die Ernte kommt und man das Einbringen muss: Was man früher in Wochen gemacht hat, macht man heute in Stunden. Man sieht da die technische Entwicklung, bei der Ernte. Dann durften wir als Kinder mitfahren, in die Mühle, zum „Umtauschen“ – so hat es geheißen. Und die schweren Mehlsäcke brachten wir dann nach Hause, auf den Dachboden, und dort hat die Mutter dann das Mehl geholt und uns Kinder hat sie immer eingeteilt zum „Drübergießen“ beim Kneten. „Komm, da musst du gießen, hier!“ hat sie gesagt – bis dann im Haus jener unbeschreibliche Duft des frischen Brotes aus dem Backofen kam. Meine Mutter musste dafür arbeiten und mein Vater musste dafür arbeiten, dass es Brot gibt: Dahinter steht das Leben von Menschen. Wenn wir heute unzählige Brotsorten haben, die es früher nicht gab, so vergessen wir bitte nicht, dass dahinter das Leben von Menschen steckt! Natürlich in einer anderen Arbeitsweise als früher, aber immer noch stehen Frauen und Männer dahinter, die dieses Lebensmittel schaffen. „Unser tägliches Brot gib‘ uns heute“ – das heißt: „Lass‘ Frauen und Männer in unserem Land so fürsorglich sein, dass wir Nahrung haben!“ Also: Bei uns war klar, wo das Brot her ist. Heute ist manchen nicht klar, wo das Brot her ist. Von daher wäre es ja nicht unwichtig zu wissen, wo welche Lebensmittel herkommen, um zu schauen: „Wo ist das gemacht worden? Wer steht dahinter?“
Dahinter steht die große Gemeinschaft der Bauernfamilien in unserem Land, die nicht nur Arbeitsplätze sichern, auch in Zukunft sichern werden, sondern die Lebensmittel schaffen, für das Wohl der Menschen. Ich verstehe schon, warum Jesus von Nazareth gesagt hat: „Nehmt Brot, wenn Ihr Euch an mich erinnert und teilt das Brot!“ (Vgl. Lk 22,19) Wir machen das heute auch; wir bringen Brot zum Altar, weil unser Gott sagt: „Im Brot wird am ehesten deutlich, dass ich dahinter stehe. Mein Leben im Brot für die anderen.“ Das ist das, was wir hier feiern: Die Lebensmittel der Niederösterreichischen Bäuerinnen und Bauern sind Lebensmittel für die Menschen. Das ist wichtig, dass wir das nicht vergessen! Und wir sagen: „Gott, wir vergessen es dir nicht, dass du dahinterstehst, mit deiner Art, mit der Schöpfung umzugehen!“. Deshalb bitten wir Gott um günstiges Wetter. Wir wissen schon: „Es gibt auch die Hagelversicherung und es gibt die Flieger in der Wachau, wenn der Hagel kommt.“ Gut! Gott sagt: „Wir müssen schon alles einsetzen, was wir haben, das auf jeden Fall.“ Aber er sagt auch: „Ich sorge mit denen für Euch!“
Bäuerinnen und Bauern schaffen in einem Land ein zu Hause, wo Menschen heimkommen können, wo sie Feste feiern können, wo es Leben gibt. Und das durch Fakten, die sie schaffen, nicht durch Meinungen. Wir leben in einer Gesellschaft, wo jeder seine eigene Meinung hat und glaubt, dass das schon die Wahrheit ist. Wir müssen jedoch Fakten schaffen und über Fakten reden, weder dramatisieren noch beschwichtigen. „Aber wer hat denn Niederösterreich bisher so schön gestaltet?“ Das war durch die Führung des Landes und da denke ich, hier, in dieser Stunde, auch an Landeshauptmann Andreas Maurer, der am 7. September den 100. Geburtstag gefeiert hätte. Und dann kam Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll und jetzt ist Landeshauptfrau Mag. Johanna Mikl-Leitner da. Sie sorgen für unser Land, dass es hier Arbeit gibt, dass es hier Entfaltungsmöglichkeiten gibt und dass die Schöpfung eine Schöpfung Gottes bleibt.
Da brauchen wir nichts Neues erfinden, sondern sagen: „Wie gehen wir mit dem um, was unsere Welt uns bietet?“ Da sind die Bäuerinnen und Bauern so lebensnah, am Boden, dass wir uns das von niemand anderem einreden lassen müssen, sondern nur schauen: „Wo leben sie? Wo leben die, die uns das tägliche Brot schenken?“. Die Landwirtschaft ist produktiver geworden und die Menschen sind älter geworden. Ich sage Ihnen: „Ich lese sehr gerne in der Bauernzeitung jene Seiten, wo Menschen mit ihren Geburtstagen aufgelistet sind.“ Als ich ein Kind war, war ein 80jähriger im Dorf schon sehr alt. „Das ist der Alte,“ hat es geheißen, mit 80 Jahren. Heute blättere ich durch: 100 Jahre, 101 Jahre, 95 Jahre… Und das Schöne dazu dann: 50 Jahre verheiratet, 60 Jahre verheiratet – das sichert unserem Land Wohlstand. Menschen, die mit ihren von der Arbeit, von der Liebe, von der Sonne gezeichneten Gesichtern sich abbilden lassen und sagen: „Schaut, wir haben es in diesem Land so gestaltet, dass die Jugend Zukunft hat.“
Ich freue mich, dass die Landjugend da ist, dass die Landjugend als betende Gemeinschaft gestern hier eingezogen ist. Ich habe mit Euch hier am Abend gebetet, bei dieser Messe. Ihr seid diejenigen, die dieses große Erbe dieses Landes weiterführen. „Unser tägliches Brot gib‘ uns heute“ – das beten wir und wir wissen, dass Gott es uns schenkt und auch in Zukunft schenken wird. Deshalb ist die Zukunft für uns die große Chance, nicht die Plage, auch nicht die Herausforderung – wir sind ja Optimisten. Oder anders: Wir sind Menschen mit der Hoffnung, dass unser Gott, der uns ins Leben geführt hat, in ganz großer Liebenswürdigkeit, dass dieser Gott unser Leben trägt und selbst über den Tod hinaus trägt. Das ist das, was wir unserem Gott heute nicht vergessen. Sie können sich vorstellen, dass das der Gottesmutter heute unheimlich viel Freude macht, wenn sie uns alle hier sieht und merkt, wie gottverbunden wir sind. Dann zeigt sie uns ihren Sohn und er zeigt auf die Welt, er trägt die Welt, wie wir es vorne sehen, gehalten von dem, der über unserem Planeten ist, der jeden Tag die Sonne aufgehen lässt und das vergessen wir ihm nicht und deshalb handeln wir so verantwortungsvoll und zukunftsfähig.
Amen.
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