Diözesan­bischof Dr. Alois Schwarz

25.12.2023

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Predigt Hochamt Christtag


Predigt

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Liebe Schwestern, liebe Brüder! Liebe geistliche Schwestern und liebe Diakone! Lieber Bischofsvikar, lieber Dompfarrer! Liebe Assistenz, liebe Musikerinnen und Musiker, Sängerinnen und Sänger, die uns so Hineinheben in eine Feierlichkeit des Gottesdienstes heute. Alle Ihre Stimmen sind heute für unsere Emotion unerlässlich. Die Frauenstimmen, die Männerstimmen, die sich Heransingen mit Melodien von Ferdinand Schubert. Mit sehr schwungvollen Melodien heute zum Weihnachtsfest. Von den Texten der Liturgie, war es auch eigentlich sehr dicht. Johannesprolog heißt diese Passage am Anfang des Johannesevangeliums. Eine großartige Komposition von 7 mal 7 Wortbausteinen mit einer Ergänzung, also 50, eine in sich gebaute Komposition. Mit dem hebräischen Alphabet kann man das durchgehen und mit dem griechischen Alphabet. Es ist in sich ein Kunstwerk, wenn es darum geht zu sagen, dass Gott ein Wirkwort ist. Denn seinen Namen zu nennen, ist ja bloß nicht eine Information, sondern da geht es ja um Erschütterung, da geht es um beglücken, da geht es um bekehren. Religiöse Rede ist ja nie bloß nur beschreibend oder erklärend oder informierend, sondern sie will etwas bewirken. Jetzt will dieses Evangelium heute, wo es heißt, dass Gott Fleisch angenommen hat in seinem Kind und unter uns gewohnt hat, das will etwas bewirken. Vielleicht will es Gottesbilder zerschlagen. Die Vorstellung, dass Gott irgendwo jenseits wohnt und thront. Es will uns sagen, ein Kind bringt einen neuen Rhythmus in das Chaos des Lebens, durchbricht die Gewalt. Ein Kind, fassbar und im Kind Gott doch nicht fassbar, das ist das, was sich heute ereignet. „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“. Das ist das Wort für unsere Zeit heute. Ungebrochene Treue eines Gottes zu den Menschen. Die vielleicht lebensmüde geworden sind, wo manche eine eigene Verdrossenheit an sich selber haben. Wo manche meinen, auf Transzendenz verzichten zu können. Aber wer darauf verzichtet, der hat einen großen Verlust an musischer und geistiger Kraft.

 

Das heutige Fest mit den Texten will uns sagen: Mensch, du in deinem Alltag, in deiner Alltäglichkeit, in deiner Verwundbarkeit, du bist von deinem Gott gesucht und er möchte ein Mensch werden wie du. Gott hört den Hilfeschrei der Menschheit über sich selbst hinaus. Mit jedem Notschrei, den die Menschheit heute äußert spüren wir, dass Leben sich nicht selbst genügt. Das Drama der Menschheit heute spielt sich ja zwischen zwei so ausgeprägten Standpunkten ab. Der eine Standpunkt ist der von Adam, der sagt: Ich bin wie Gott. Ich weiß, was richtig und falsch ist. Ich weiß, was gut und böse ist. Ich kann unterscheiden.

 

Der eine, der sagt, ich bin wie Gott. Und die andere Art des Lebens ist, sein wie Christus. In ihm neigt sich Gott zu den Menschen, begibt sich in unsere Position, eröffnet einen Raum für liebevolle Begegnungen und sogar für die Vereinigung des Menschlichen mit dem Göttlichen. Wir erleben eine Verbrüderung Gottes mit den Menschen, mit dem Fest von Weihnachten. Das Wort Gottes hat unsere Menschennatur angenommen. Vielleicht klingt ihnen das so erhaben – die Kirche muss das ja sagen. Aber Gott ist ein Kind geworden. Er hat es gewagt, sich einem jungen Paar anzuvertrauen und zu sagen: Ihr werdet Verantwortung übernehmen für mein Kind. Immer wenn Eltern einem Kind das Leben schenken, ist das das Urbild aller Verantwortung – unmittelbar. Sie tun es für ein Kind. Jesus hat die Erfahrung gemacht, dass seine Mutter ihn an sein Herz gedrückt hat, ihn mitgenommen hat auf der Flucht nach Ägypten, dann wieder nach Hause. Er hat zu Hause gelernt, dass seine Eltern Glaubenstradition hatten. Sie hatten Verantwortung übernommen für ihn, auch wenn er dann einen ganz anderen Weg ging und Menschen ihm das Leben nicht mehr gönnen konnten. Aber wir wissen: Er hat im Leben für immer zum Durchbruch verholfen. Gott kommt in eine Welt, in ein Land, das besetzt ist von den Römern. Wo es Menschen gibt, die erleben, dass kriegerische Auseinandersetzungen ihnen nach dem Leben trachten, dass es einen Herrscher gibt, der sich wie Gott aufspielt und Kindern das Leben nimmt. Und die kommen davon. Gott übernimmt Verantwortung und überträgt Verantwortung den Menschen, dass er Mensch werden kann. Dass er mit den Menschen sein kann, auch wenn er nicht verstanden wird. Er kam in die Welt, aber die seinen nahmen ihn nicht auf. Er leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. Gott sucht einen Raum am Herzen der Menschen. Er mit seinem Programm der Liebenswürdigkeit des unendlichen Verzeihens, des Durchbrechens von Hass, Rache und Gewalt. Er sucht einen Raum bei den Menschen, dass der Mensch einen Blick bekommt, das Leben mit Herrlichkeit zu tun hat. Das Leben mit Schönheit zu tun hat, mit Aufatmen dürfen, mit Glück zu tun hat. Dass das Leben der Menschen glückt, dazu riskiert Gott am Herzen eines Menschen wachsen zu dürfen. Und er spricht sich in unsere Zeit hinein und sucht bei uns Menschen, die ihm Raum geben.

 

Andreas Knapp hat einmal gesagt: „Im gedroschenen Stroh des leeren Geredes kein Körnchen Wahrheit mehr. Und täglich wächst der Hunger, dass ein Wort geboren werde, nahrhaft wie ein Weizenkorn. Täglich soll durch uns ein Wort geboren werden das nahrhaft ist“.

 

Sie alle können dieses Wort aussprechen. Durch Zuwendung, durch Zärtlichkeit, durch Achtung und Respekt, durch eine Liebenswürdigkeit, mit der Sie sich dem Leben und den Menschen, mit denen sie da sind, anvertrauen. Unser Gott macht sich angreifbar im Kind und in seinem Wort. Auch wenn er später dann mundtot gemacht wird, sein Leben hat sich durchgesetzt. Sonst wären wir heute nicht hier. Und würden hier auch nicht feiern. Sein Wort wirkt Leben. Das einander zusprechen und dafür die Aufmerksamkeit einander schenken gibt uns Kraft weit über Weihnachten hinaus. Amen.

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