Diözesan­bischof Dr. Alois Schwarz

07.04.2019

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#Rastplatz 2019 5. Fastensonntag: Aufrichten statt Hinrichten


Predigt

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Evangelium: Joh 8,1-11

Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.

 

Wie oft geschieht es auch heute noch, dass Menschen mit ihren Fehlern und Schwächen, mit ihren Sünden und Verfehlungen „vorgeführt“ werden zur öffentlichen Verurteilung! Es ist ein sehr beschämendes Gefühl, in die Mitte gestellt, dem Urteil anderer ausgesetzt zu werden und um das Leben bangen zu müssen. Der Umgang Jesu mit der Sünderin zeigt uns, dass er die Sünde ernst nimmt, sie nicht verharmlost, und zugleich den Menschen ernst nimmt und ihm neues Leben zuspricht und zumutet.

 

Mit dieser biblischen Szene wird nun Jesus auf die Probe gestellt (vgl. das Evangelium vom 1. Fastensonntag, in dem es darum geht, Gott verwegenerweise auf die Probe zu stellen). Mit einer sehr ausdrucksstarken Geste geht Jesus auf die Geschichte dieser Frau ein. Es wird erzählt „Jesus aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde“ (Joh 8,6b). Das kann ein tiefes Sinnbild dafür sein, dass und wie Jesus sich in die Niedrigkeit von menschlicher Schuld und Sünde hineinbegibt. Man könnte das auch dahingehend deuten, dass Jesus sich nicht davor
scheut, in das Irdische, in das „Menschliche und Allzumenschliche“ zu gehen, um es aufzuheben und aufzurichten, zu verwandeln in Güte.

 

Danach richtete er sich ja auch tatsächlich auf, um jenes unerwartete und erschütternde Wort zu sprechen: „Derjenige, der ohne Sünde ist, werfe auf sie den ersten Stein“ (Joh 8,7; wörtliche Übersetzung). Die Fassungslosigkeit und Verhärtung der Gegenseite beantwortet Jesus geduldig mit der Wiederholung seiner Handlung: „Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde“ (Joh 8,8). Er macht damit deutlich, dass er eine Antwort und entsprechende Handlung erwartet.

 

Diese Konfrontation Jesu entmachtet zuerst die Ältesten und schließlich alle anderen. Keiner hat die Frau verurteilt. Wenn Jesus sich nun erneut aufrichtet, dann wohl deshalb, um die Frau aus ihrer verhängnisvollen Lebenssituation herausfinden zu lassen und sie aufzurichten, was Jesus mit dem erlösenden und Vergebung schenkenden Wort bekräftigt: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Joh 8,11).

 

Diese Geschichte ist eine herausfordernde Botschaft an uns, einander nicht an den Pranger zu stellen und einander nicht zu verurteilen. Es bedarf einer großen Behutsamkeit und Einfühlsamkeit für die jeweiligen Lebensgeschichten der Menschen und die damit verbundenen Verfehlungen, um die Umwege und Irrwege oder die Wege der Sünde überhaupt verstehen und zum Heil wenden zu können.

 

Die Botschaft dieses Evangeliums lautet: aufrichten statt hinrichten, aufrichtig und aufrichtend vergeben statt verurteilen. Diese Botschaft ist im Lichte des Lebens Jesu das göttliche Kontrastprogramm zu seiner Hinrichtung am Kreuz.

 

Ich wünsche Ihnen Menschen, die sich zu Ihren Verfehlungen liebevoll hinunterbücken können, die auch darin zu Ihnen stehen und Ihnen die Hand reichen, um Sie aufzurichten zum Guten. Ich wünsche Ihnen auch, dass Sie das Wort Jesu hören: „Ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr“
(Joh 8,11).

 

Fragen zur Besinnung:

 

  • Können Sie Menschen annehmen trotz ihrer Verfehlungen?
  • Trauen Sie Gott in Jesus Christus zu, dass er sich zu Ihnen hinunterbeugt, das Abwegige und das Belastende Ihres Lebens annimmt und zur Wandlung und Änderung aufhebt?
  • Kennen Sie Menschen, die Ihnen beim schlechten Denken, Reden und Handeln über Sie zur Seite standen und in Ihnen die Kraft des Guten bestärkt haben? Können Sie Gott für diese Erfahrungen und Menschen danken?

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