Predigt zur Benediktion von Abt Patrick Schöder OSB
Predigt

Liebe Frau Bundesminister! Lieber Herr Botschafter! Lieber Herr Landtagspräsident! Lieber Superintendent! Liebe Damen und Ritter vom Hl. Grab zu Jerusalem! Liebe Geistliche Schwestern! Liebe Priester und Diakone! Mitfeiernde in der Stiftskirche!
Liebe Mitfeiernde über den YouTube-Kanal des Stifts Göttweig, auf Servus TV ON und Radio Maria!
Ein ganz besonderer Gruß gilt Bischof Maximilian Aichern, der unseren Abt Patrick zum Priester geweiht hat. Heute sind wir in besonderer Weise miteinander verbunden.
Lesung: Verantwortung und Dienst in der Kirche
Die heutige Lesung aus dem Petrusbrief gibt uns eine Momentaufnahme der Entwicklung kirchlicher Ämter. Es geht um Leitung in der christlichen Gemeinde. Der Vorsteher wird hier als Ältester bezeichnet – als Zeuge der Leiden Christi, als jemand, der mit seiner ganzen Existenz für das einsteht, was er bezeugt. Seine Autorität entspringt nicht nur seinem Amt, sondern auch seiner persönlichen Erfahrung mit Christus.
Leitung bedeutet hier nicht Herrschen, sondern Hüten. Der Älteste soll Hirte und Hüter der Seelen sein – freiwillig, vorbildhaft, in Dienstbereitschaft und mit Hingabe. Das Amt ist nicht eine Frage der Macht, sondern des Dienens.
Evangelium: Das Bekenntnis des Petrus
Im Evangelium hören wir, dass Jesus in das Gebiet von Cäsaréa Philippi kam und seine Jünger fragte: „Für wen halten die Menschen den Menschensohn?“
Diese Szene spielt weit im Norden, wo der Jordan entspringt – weit entfernt von Jerusalem. Was macht Jesus ganz im Norden? Jesus hätte es in Galiläa gutgehabt. Er heilte die Kranken. Er erzählte vom Reich Gottes in unzähligen Bildern aus der Natur. Vom Weizenkorn und der selbstwachsenden Saat. Er teilte das Brot und lernte von einer Heidin bei den Syrophöniziern, dass er auch für die anderen da sein muss. Nicht nur für Israel. Nicht nur für sein Volk. Immer mehr wurde ihm bewusst, dass er nach Jerusalem gehen muss – dorthin, wo ihn Auseinandersetzungen und Streit, ja mehr noch, Leiden und Tod erwarteten. Wie aber sagt er das seinen Jüngern? Um sich Vertrauen zu sichern, fragt Jesus, als er in das Gebiet von Cäsaréa Philíppi kam, seine Jünger:
Für wen halten die Menschen den Menschensohn? Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elíja, wieder andere für Jeremía oder sonst einen Propheten. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Und Jesus sagt zu ihm: „Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.“
Diese Worte gaben Jesus so viel Vertrauen, dass er seinen Jüngern offenbarte, dass er leiden werde. Damit beginnt die Krise: Petrus muss erkennen, dass er erneut hinter Jesus zurücktreten muss. Sechs Tage lang sind sie unterwegs zum Berg Tabor – eine Reise, die sich als herausfordernder erweist als gedacht. Wer hätte gedacht, dass es so schwierig wird, bis sie durch das Jordantal über Jericho dann nach Jerusalem kommen?
Ein Blick nach Göttweig: Verantwortung in der Nachfolge Christi
Wer hätte gedacht, dass nach dem Tod von Abt Clemens Lashofer im Jahr 2009 der neu gewählte Abt Columban Luser nicht nur in die Fußstapfen seiner Vorgänger treten, sondern auch große Leidensbereitschaft aufbringen müsste? Doch Nachfolge Christi zeigt sich nicht nur in der Bereitschaft, Herausforderungen und Entbehrungen anzunehmen, sondern ebenso in der Offenheit zu wachsen und zu lernen.
Lieber Abt Columban, ich danke dir besonders für deine Lernbereitschaft – für deine Mühe um die Lebensgemeinschaft hier im Stift und deine familiäre Fürsorge für die Angestellten. Ich erinnere mich gut an meinen Besuch mit Pater Gerfried Sitar und an meine Bitte, dass du für das Stift St. Paul deinen Mitbruder und Prior Pater Maximilian Krenn zur Verfügung stellst. Dafür danke ich dir und deinen Brüdern von Herzen – besonders dir, Pater Maximilian, für deinen wertvollen Dienst in Kärnten und als Prior in Göttweig.
Abt Columban, du hast stets die pastoralen Herausforderungen der 28 inkorporierten Pfarren mitgetragen und auch die Anliegen der Diözese im Blick behalten. Heute übergibst du deinem Nachfolger ein gut überdachtes Stift und eine Gemeinschaft von Mönchen, die Gott suchen und loben, beten und arbeiten – sei es in den Pfarren, oder hier, auf dem Göttweiger Berg, einem der schönsten Arbeitsplätze des Landes.
Der neue Abt: Pater Patrick Schöder
Am 8. Jänner wurde Pater Patrick Schöder zum Abt gewählt. Geboren in Südafrika, führte dein Weg dich gemeinsam mit deinen Eltern, die ich herzlich grüße, nach Niederösterreich, über Berndorf und Horn nach Göttweig. In Berndorf durfte ich, lieber Abt Patrick, dich 1998 firmen. Damals warst du Sprecher der Firmlinge und hast mich als Bischof und Firmspender begrüßt.
Dein Abt erlaubte dir nach deinem Klostereintritt Studien und Lehrtätigkeit. Du hast dich der Studierendenseelsorge gewidmet, internationale Kontakte gepflegt und warst mir als Bischofsvikar ein wichtiger Vertreter der Kirche an den Universitäten und Hochschulen. Ein Gesprächspartner mit deutschen und amerikanischen Bischöfen über die Wirklichkeit der FOCUS Missionare in unserer Diözese. Ein diplomatischer Mensch mit offener Mentalität, Verantwortung, Kontaktfreudigkeit und Freundlichkeit.
Heute darf ich dir die Ordensregel des Heiligen Benedikt übergeben, die das Leben deiner Gemeinschaft prägt. Sie ist – wie es im Vorwort heißt – „eine Schule, in der man dem Herrn dient“ (RB Prol 45). Nun wirst du im Kreise deiner Mitbrüder dreimal im Jahr die Kapitel über den Abt hören –sie erinnern dich daran, wie der Abt mit seinen Brüdern umgehen soll: „Er macht alles Gute und Heilige mehr durch sein Leben als durch sein Reden sichtbar“. (RB 2, 12) „Den einen liebe er nicht mehr als den anderen, es sei denn, er finde einen, der eifriger ist in guten Werken und im Gehorsam.“ (RB 2, 17)
„Der eingesetzte Abt bedenke aber stets, welche Bürde er auf sich genommen hat und wem er Rechenschaft über seine Verwaltung ablegen muss. Er wisse, dass er mehr helfen als herrschen soll. Er muss daher das göttliche Gesetz genau kennen, damit er Bescheid weiß und einen Schatz hat, aus dem er Neues und Altes hervorholen kann.“ (RB 64, 7-9)
„Er suche mehr geliebt als gefürchtet zu werden.“ (RB 64,14)
„Diese und andere Zeugnisse maßvoller Unterscheidung, der Mutter aller Tugenden, beherzige er. So halte er in allem Maß, damit die Starken finden, wonach sie verlangen, und die Schwachen nicht davonlaufen.“ (RB 64, 18)
Der Abt verfügt gemäß der Benediktsregel also über beinahe uneingeschränkte Autorität. Aber er trägt auch eine große Verantwortung. Er muss sich von der Ordensregel in aller Klarheit sagen lassen: „am Tag des Gerichts muss er für sie alle dem Herrn Rechenschaft ablegen, dazu ohne Zweifel auch für sich selbst.“ (RB 2, 38)
Die Aufgabe des Abtes: Ein Dienst an der Gemeinschaft
Du bist von deinen Mitbrüdern zum Abt erwählt, und ihr gehört zusammen – die Mitbrüder im Stift ebenso wie jene, die als Seelsorger in den Pfarren wirken. Du bist Abt aller deiner Mitbrüder, auch Vater der Pfarrseelsorger. Denke daran, dass die Mönche in den Pfarren vor besonderen Herausforderungen stehen: Sie sind eingebunden in die Gebetstradition einer Ordensregel und zugleich in den Alltag der pfarrlichen Verwaltung und Organisation. Sie haben die große Chance, das Horchen und Beten, das sie im Stift Göttweig prägt, in ihre Pfarre zu übertragen und auch dort ihr gelebtes Mönchtum spürbar und wirksam werden zu lassen.
Die Pfarrgemeinde profitiert von dieser benediktinischen Spiritualität, die auf Ordnung, Regel und aufmerksames Hören ausgerichtet ist – auf Gott, aufeinander und auf das gemeinsame Wirken. Auch im Pfarrgemeinderat wird diese Haltung lebendig: Es geht darum, sich gegenseitig zuzuhören und gemeinsam zu entscheiden. Genau das ist es, was Papst Franziskus als Synodalität bezeichnet.
Das Leben im Pfarrhof sollte so gestaltet sein, dass erkennbar wird: Ein Ordensmann lebt hier – einer, der wachsam ist für die Gegenwart Gottes, gerade in einer Zeit, in der viele Menschen meinen, ohne Gott auszukommen. Die Zugehörigkeit zum Stift ist für viele Pfarrangehörige inkorporierter Pfarren eine bewusste Identität. Sie spüren es nicht nur, wenn Renovierungen oder Baumaßnahmen anstehen, sondern auch in der geistlichen Verbundenheit. Sie sind stolz darauf, eine Stiftspfarre zu sein. Gleichzeitig wissen sie, dass sie ihren Pfarrer immer wieder freigeben müssen, damit er ins Stift zurückkehren kann, um die Gemeinschaft mit seinen Mitbrüdern zu pflegen und sich in seinem monastischen Fundament zu vergewissern. Aber sie wissen auch: Bei wichtigen Feierlichkeiten in der Pfarre dürfen sie mit dem Abt rechnen.
Ein Mönch, der unter einer Ordensregel lebt und in der Pfarre wie ein Abt Vater seiner Gemeinde ist, liest eine Pfarrgemeinderatsordnung mit einem besonderen spirituellen Blick. Denn er bringt mit, was die benediktinische Tradition seit Jahrhunderten kennt: eine Ordnung, die nicht beengt, sondern Raum gibt – für das Hören, für das Gebet und für die Gemeinschaft.
Göttweig: Ein Ort der Schönheit, ein Ort des Gebets
In deinem Stift Göttweig sind viele Besucher von der Schönheit dieses Ortes überwältigt. Das ist eine Schönheit, in der uns Gott begegnet und sich gleichzeitig unserem Zugriff entzieht. Das ist eine Schönheit, die mehr ist als persönliches Empfinden. Hier bewegt uns etwas, das mehr ist, als ich selbst bin. Diese Schönheit hat keiner von uns verdient, aber jeder bekommt sie. Perfektion wird gegönnt. Eine Schönheit, die am Ende Liebe ist. Hier in diesem Stift, wie auch in allen anderen Klöstern unseres Landes, gibt es eine Kontemplation der Herrlichkeit, eine Entdeckung der Schönheit der Kirche in der Schönheit Gottes. Das ist ein Ort, wo man sich stärken kann gegen die Spirale der Banalisierung.
Klöster sind Orte ausgeruhter Entscheidungsfindung, Orte der Innerlichkeit. „In seiner Innerlichkeit übersteigt […] [der Mensch] die Gesamtheit der Dinge: In diese Tiefe geht er zurück, wenn er in sein Herz einkehrt, wo Gott ihn erwartet, der die Herzen durchforscht, und wo er selbst unter den Augen Gottes über sein eigenes Geschick entscheidet“ (GS 14).
Es ist im Herzen – so erinnert uns Papst Franziskus –, wo jede Person die „diese paradoxe Verbindung zwischen Selbstwertgefühl und Offenheit für andere […], zwischen der ganz persönlichen Begegnung mit sich selbst und dem Geschenk seiner Selbst an andere“ [Delixit nos 18] entdeckt. Aus diesem Grund ist „[n]ur das Herz […] in der Lage, die anderen Fähigkeiten und Leidenschaften und unsere ganze Person in eine Haltung der Ehrfurcht und des liebenden Gehorsams dem Herrn gegenüber zu bringen“ [Delixit nos 27], der „uns anbietet, uns stets und für immer wie ein Du zu behandeln“ [Delixit nos 25].
Heute leben wir in einer Zeit, in der viele darüber streiten, wer mehr beleidigt ist. Es braucht Orte des entdramatisierten Austausches – Orte, wo nicht Besserwissen, sondern das Verstehenwollen zählt. Ein Kloster ist ein solcher Ort. Hier lernt man, das Ohr des Herzens den Lehren des Meisters zuzuneigen und sich der Mühe des Gehorsams zu unterziehen. (RB Prolog)
Noch bevor die Sonne über unserem Land aufgeht, brennen in den Klosterkirchen die Lichter, und die Mönche singen Psalmen, die Lieder Davids – Lobpreis und Klage, Aufschrei der Not und Vertrauen in Gottes Führung. Es ist eine Suchbewegung auf Gott hin. Uwe Kolbe schreibt: Da geht es jeweils um mein ganzes Leben bis zum heutigen Tag. Ich werde geprüft – oder so gesagt: Ich lasse zu, dass mich der Psalmist in seine Selbstprüfung vor Gott einbezieht… Mich ergriff ein tiefer Schauer, als ich gewahr wurde, dass Jesus am Kreuz einen Psalm zitiert.[1]
Tagsüber unterbrechen sie die Arbeit und widmen sich wieder im Gebet dem Lobpreis eines Gottes, der immer wieder an die Menschen denkt und sagt: Ich bin da und werde da sein. Mein bist du wird hier ausbuchstabiert, damit wir es unserem Gott glauben, dass er uns liebt und erlöst.
Wenn dann am Abend die Sonne untergeht und die Mönche wieder singen, dann ist ihr Gebet, wie die Jüdin Nelly Sachs gesagt hat: Nachtherberge für die Wegwunden.
Ubuntu – Ich bin, weil wir sind
Im Südafrikanischen gibt es das Wort UBUNTU und das heißt: Ich bin, weil wir sind. Das südafrikanische Wort “Ubuntu” (häufig mit “ibuntu” verwandt) stammt aus den Bantu-Sprachen und ist ein zentraler Begriff der afrikanischen Philosophie. Es wird oft mit “Menschlichkeit” oder “Ich bin, weil wir sind” übersetzt.
Ubuntu beschreibt Werte wie Mitgefühl, Gemeinschaft, Solidarität, Respekt und Harmonie. Dass ein Mensch nur durch andere Menschen vollständig Mensch wird – durch die Gemeinschaft und das gegenseitige Wohlwollen.
Diese Gemeinschaft gründet in der Zusage Gottes: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir.“ (Jes 43,1)
Lieber Abt Patrick, dein Wahlspruch „Mein bist du“ ist Ausdruck dieser tiefen Verbundenheit. Möge dir diese Gewissheit jetzt in unserem Gebet für dich, für dein Stift, für deinen Prior und für die Gemeinschaft der Mönche spürbar werden.
Amen.
[1] https://www.herder.de/communio/kultur/ein-gespraech-ueber-die-psalmen-mit-dem-schriftsteller-uwe-kolbe-ein-lied-ohne-gott-ist-tonlos-/
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Ich bin. Mit dir.