Diözesan­bischof Dr. Alois Schwarz

09.04.2023

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Predigt Ostersonntag 2023


Predigt

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Predigt Ostersonntag

Sonntag, 09. April 2022, 10.30 Uhr

Dom zu St. Pölten

Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz, St. Pölten

 

  1. Lesung: Apg 10, 34a.37–43 2. Lesung: Kol 3,1-4

 

Evangelium: Joh 20, 1-18

 

Liebe zu diesem Fest versammelte Gemeinschaft!

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

Wenn es damals am Ostertag eine Sonntagsfrage gegeben hätte, wie sie heute oft von den Medien gestellt wird, wäre das schlecht ausgegangen. Medien fragen ja oft: Wie viele sind weggegangen? Damals hätte man sagen müssen: „Alle, bis auf zwei Frauen.“ Diese Antwort hätte schlecht ausgeschaut. Aber Gott sei Dank sind die Frauen geblieben. Maria von Magdala ist an diesem Morgen allein, als es noch dunkel war. Und dort erfährt sie: der Stein ist weggenommen und das Grab ist leer. Gott ist also nicht mehr da. Ist das nicht eine Erfahrung, die wir auch manchmal machen?

Gott ist nicht mehr da? Weder in der Ästhetik, noch in der Poesie, noch in der Kunst. Ist Gott da in unseren Osterbräuchen? Ich sehe da so wenig auf Plakaten oder in Medien oder in den Ritualen, die heute vollzogen werden. Ist Gott der Menschheit abhandengekommen? Man kann auch nicht organisieren, dass er kommt, dass er Resonanz findet bei den Menschen.

Ist da nicht eine große Leere entstanden in manchen Bereichen Europas? Auch in unserem Land. Wir feiern zwar Ostern, und viele sind sehr dankbar in der säkularen Gesellschaft, dass wir so einen Feiertag haben. Da gibt es ja Zulagen für die, die arbeiten müssen.  Da ist schon etwas Gutes, was die Kirche in Österreich ermöglicht.

Aber Gott ist abhandengekommen. „Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen“, sagt sie. Sie, die zum Grab geht, um ihrer Sehnsucht einen Ort zu geben, wo sie trauern kann. Aus ihrer tiefen Sehnsucht heraus stellt sie sich der Realität, dass Jesus gestorben ist. Stellen wir uns manchmal auch der Realität, dass manches nicht mehr so ist, wie früher.

Und dann erinnert sie sich, dass ihr gesagt wurde: er wird leben. Und deshalb geht sie zu seinen Freunden und sagt: „Petrus, sie haben den Herrn weggenommen.“ Und der läuft dann mit Johannes zum Grab. Johannes ist jünger, der ist etwas schneller. Sie gehen und schauen, aber sie verstehen nicht die Schrift. Das Lesen führt eigentlich zum Osterglauben. Aber sie verstehen es nicht. Und dann gehen sie. Und die Frau bleibt und weint.

Das muss eine ganz tiefe, innige Beziehung gewesen sein, wenn sie aushält am Grab, das jetzt leer ist. Gott ist weg und das lässt ihr das Grundwasser ihrer Seele in den Augen zum Ausdruck kommen. Maria stand draußen vor dem Grab und weint.

Ich kann mir vorstellen, dass manche Eltern weinen, weil ihren Kindern Gott abhandengekommen ist. Manche weinen vielleicht, weil ihren Freunden Gott abhandengekommen ist. Sie haben da keinen Zugang mehr. Gott kann man niemanden einreden. Man kann das nicht machen. Nur Aushalten.

Maria hält aus im Garten. Der erinnert an das Paradies. Das Bild der Sehnsucht im Garten. Da kommen Engel in weißen Gewändern und sagen ihr: „Frau, warum weinst du?“ Dreimal steht hier, warum weinst du?“

Ich möchte nicht sagen, das ist typisch Frau. Frauen weinen. Sie haben die Ausdruckskraft der Seele, wo manches aufgestaut ist an Ausdruckskraft der Seele, wo manches aufgestaut ist an innerer Sorge, um die Wüsten von Beziehungslosigkeit zu bewässern, braucht es manchmal die Tränen. Manche sagen, ich bin am Wasser gebaut. Aber Lebensbäume wachsen an Wassern. Scheuen wir uns nicht, in unseren Tränen das Grundwasser der Seele zum Fließen zu bringen, wenn uns etwas ganz nahegeht. Feuchte Augen bezaubern ja auch manchmal und lassen uns nachfragen: „Was berührt dich so?“

Es sind ja nicht immer Tränen der Trauer, es gibt auch Freudentränen. Die Ur-Tränen der Kindertage, die uns zu manchem verholfen haben, weil wir es mit den Tränen ausgedrückt haben, was wir brauchen.

Die Frau steht vor dem Grab und weint, und Engel fragen sie „warum weinst du?“. „Und sie haben meinen Herrn weggenommen“ sagt sie.

Reden wir, wenn wir mit den Menschen heute zusammenkommen über den Herrn und sagen: „Es macht mir Sorge, dass Gott nicht zur Sprache kommt?“ Es geht mir innerlich sehr nahe, wenn von Jesus nicht die Rede ist, wenn das Grab leer ist. Als Sinnbild für eine leergewordene Gesellschaft in der Suche nach Transzendenz, Unverfügbarkeit, nach dem tiefen, großen Geheimnis.

Maria von Magdala durfte die Erfahrung machen, dass dann einer dasteht. Sie wendet sich ihm zu, dann dreht sie sich nochmal um. Sie meint, es sei der Gärtner und sagt: „Wenn du ihn weggebracht hast, dann sag mir, wo hast du ihn hingelegt?“

Kirche, wo ist heute Gott zu finden? Hast du ihn irgendwo versteckt in deinen Kirchen? In deiner Musik, in deinen Klängen, in deinen erhabenen Worten? Sag uns, wo hast du ihn hingebracht?

Und er sagt zu ihr: „Maria“. Dieser, ihr Name, macht sie zu einem neuen Menschen. Sie sagt plötzlich „Rabuni“ – mein Meister. Jetzt kommt diese berührende Szene, dass Gott sich nicht festhalten lässt. Auch in unseren Tagen, lässt Gott sich nicht festhalten in dem, was sich zuträgt.

Liebe darf nicht Besitz ergreifen, sondern muss Freiheit schenken. Fromm und frei sollten die Christen heute sein, das sollte Christen auszeichnen. Fromm und frei, nicht, fromm und eng. In die Weite hat er sie geführt. In die Weite einer Beziehung, die sich nicht festklammert am anderen. Das ist wie ein Tangotanz nebeneinander. Man nimmt den Rhythmus auf und hält den anderen nicht fest. Ein Wechselspiel von fassen und lassen. Gott tanzt sich an den Menschen heran, und der Mensch an seinen Gott, wenn es um das Leben außerhalb des Grabes geht, in jenem Garten, der ein Sinnbild des Paradieses ist.

Ich traue unserem Gott zu, dass er sich heute an Sie mit den Melodien, vielleicht auch mit einem Wort, oder mit dem Zulassen von innerer Berührung, an Sie herantanzt. Und sie ihn auch nicht festhalten können. Dann gehen wir aus diesem Ostergottesdienst weg und haben viel zu erzählen, was uns tief bewegt hat.

Wir wissen, er ist nicht im Grab, sondern mit uns unterwegs. Wir entdecken dann, dass Ostern so etwas ist, wie ein Prozess, das Geheimnis Gottes in unserem Leben zu finden. Im Aushalten von Traurigkeit und Niedergeschlagenheit, im Dasein, wenn es Tränen kostet, und in einer hauchfeinen Berührung, den Lebendigen zu erkennen. Dann spüren die Menschen, es ist gut. Deshalb feiern wir Ostern. Es ist gut, wenn Gott bei uns berührt wird im Nichtfassbarmachen. Das in die Welt hinein zu singen, ist uns aufgetragen. Und dann wird sich dieses Osterprogramm unseres Gottes in die Welt hineinspielen, und wir werden irgendwann einmal sagen können: „Das hat viele berührt“. Und nicht: „Wie viele sind noch da?“.

Neue Berührungen werden ausgelöst durch Melodien. Auch jetzt, wenn das „Incarnatus“ gesungen wird im Credo, eine unheimlich geschmeidige Melodie, die uns die Menschwerdung Gottes ins Herz spielt. Eine innere Berührung.

Auferstehung ist ein Weg in die Nähe Gottes hinein. Wenn Sie es wagen: Es ist gut. Amen.

 

 

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