Diözesan­bischof Dr. Alois Schwarz

29.04.2019

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Predigt am Ostersonntag 2019


Predigt

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Liebe Schwestern, liebe Brüder,  lieber Weihbischof Anton, liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst, im diakonalen Dienst, liebe Seminaristen! 

 

Zwei wichtige Perspektiven möchte ich gleich am Beginn klären: 

 

Erstens wird uns heute das Osterhalleluja mit einer Grundmelodie in den Frühling begleiten. Und zweitens dürfen wir heute wahrnehmen, dass religiöse Menschen nicht auf alles eine Antwort haben, aber immer eine Frage mehr als die anderen.

 

Was meine ich damit? Nun, religiöse Menschen fragen: Gott, wo bist du?  Diese Fragen stellen jene Menschen, die Gott leugnen, nicht. Also religiöse Menschen haben immer eine Frage mehr, vielleicht auch manchmal eine Sehnsucht mehr, als die anderen, wie sich das im heutigen Evangelium bei Maria von Magdala zeigt. Der Evangelist Johannes schreibt:

 

„An dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein Garten und in dem Garten war ein neues Grab, in dem noch niemand bestattet worden war. Wegen des Rüsttags der Juden und weil das Grab in der Nähe lag, setzten sie Jesus dort bei.“ (Joh 19,41-42)

 

Außerhalb der Stadtmauern, im Garten wird Jesus beigesetzt und dahin macht sich frühmorgens Maria von Magdala auf den Weg. Wer von Ihnen schon in Jerusalem war, der weiß, der Orient kennt keine Morgendämmerung, da ist es finster und dann, innerhalb von wenigen Minuten, hell. Am Abend ist es genauso, es gibt auch keine Abenddämmerung. Da ist es licht und plötzlich ist es dunkel. Wenn es in der Heiligen Schrift „frühmorgens“ heißt, dann bedeutet das, dass es noch dunkel war.

 

Sie können sich vielleicht vorstellen, dass das nicht einfach ist, sich als Frau in der Dunkelheit auf den Weg zu machen. Aber etwas in ihr drängte sie, sich auf den Weg zu machen und die Dunkelheit, also die Unannehmlichkeit in Kauf zu nehmen. Vielleicht hat sie sich nachher schon auch gefragt: Wer hat mich geweckt?  Oder: Wer hat den Stein wegrollt? Zunächst aber weiß sie davon noch nichts. Sie geht und findet das Grab leer. Jetzt fällt sie nicht anbetend und staunend auf die Knie, wie damals in Bethlehem die Hirten im Stall. Sie verweilt auch nicht dort, sondern es heißt:

 

„Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte, …“ (Joh 20,2a) Der Gedanke an Auferstehung ist ihr überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Das war so etwas Unvorstellbares, dass es für sie nicht in Frage kam. Sie lief besorgt zu Simon Petrus und rief:  

 

„Sie haben den Herrn weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“ (Joh 20,2b)

 

Sie hat Angst, dass der, den sie salben wollte, dass der, den sie liebte, nicht mehr da ist. Dann kommen die beiden Apostel, Petrus und Johannes, zum Grab. Sie bleiben dort stehen. Maria stand draußen vor dem Grab und weinte. Die Frau auf der Schattenseite ihres Lebens, nämlich in Bedrängnis geraten durch den Verlust ihres geliebten Menschen Jesus von Nazareth.

 

Sie hat Einschränkungen im Leben erfahren. Dass diese Beziehung mit dem Jesus von Nazareth jedoch jetzt beendet sein soll, wollte und konnte sie nicht fassen. Leben bedeutet nicht nur nicht tot zu sein, sondern es geht darum die Qualität des Lebens zu finden. Gerade dann, wenn es Menschen gibt, die wir lieben, dann wird dadurch das Leben besonders kostbar. Der Alltag konfrontiert uns immer wieder mit Einschränkungen der Lebensfröhlichkeit. Wir alle haben dies erfahren.

 

Wer krank ist weiß, was ein Leben in Gesundheit bedeutet. Wer einsam ist, weiß, dass zum Leben Liebe und Zuneigung gehören. Dann gibt es welche, die leiden unter dem Druck und der Hektik des Alltags und spüren, dass zum Leben Ruhe gehört. Wer erkannt hat, dass er in seinem Leben schuldig geworden ist, der weiß, wie befreiend die Vergebung sein kann. Unser Leben kennt Unzulänglichkeit, Bosheit und Egoismus. Man könnte auch sagen, wir kennen seelische und physische Todeserfahrungen. In kleinen Schritten lernen wir loszulassen.

 

Auch Maria, die Frau von Magdala, weiß, sie muss alles loslassen. Sie muss Jesus von Nazareth loslassen, denn er ist nicht mehr am Leben. Deshalb trägt sie eine unsagbar große Traurigkeit in ihrer Seele. Es gibt Zeiten in unserem Leben, da werden wir hinter die Kulissen unseres Lebens geschleudert. Da brauchen wir Leute, die uns wieder auf die Bühne des Lebens verhelfen, die uns wieder hervorholen aus den Schlupflöchern unserer Ängste. Und dennoch geht es letztlich darum, dass wir alles zurücklassen.  

 

Wir werden im Sterben das besitzen, das wir nicht in Händen halten. Das ist das Einzige, was wir dann mitnehmen können. Wir sollen keine Kapitalisten der Seele sein, also wahllos anhäufen, egal, ob es der Seele guttut, oder nicht. Auch Kränkungen dürfen wir auslassen, oder Enttäuschungen, oder auch Verletzungen. Das ist manchmal viel schwerer eine Verletzung oder Kränkung loszulassen. Meistens denken wir: Mit dem/ mit der möchte ich schon noch einmal reden, denn da habe ich noch eine offene Rechnung. Natürlich ist es wichtig Dinge klar zu stellen – sofern das möglich ist -, aber manchmal muss man auslassen, weil das Aussprechen nicht mehr möglich ist. Das ist nicht immer leicht solche Verletzungen aus der Hand zu geben. Maria von Magdala hat alles aus der Hand gegeben und sie steht jetzt hier vor dem leeren Grab.

 

„Sie haben den Herrn weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“ (Joh 20,2b)

 

Man hat ihr den Herrn weggenommen und sie weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat. Das sagt sie den Engeln, die dort beim Grab standen. Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war und Jesus sagte zu ihr: „Frau, warum weinst du?“ (Joh 20,15a) Ihre Tränen zeigten ihre Trauer. Berührt davon, führt sie Jesus weiter, damit ihr Herz langsam ihn schauen kann.

 

„Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner,“ (Joh 20,15a)

 

Wir sind im Garten vor Jerusalem und dort stellt Jesus Maria die Frage: Wen suchst du? Übersetzt heißt die Frage an uns gerichtet: Mensch, wo bist du? Das ist die erste Frage Gottes an die Menschen im Paradies. Mensch, wo bist du? Kenner der Bibel assoziieren bei dieser Erzählung der Begegnung Marias von Magdala mit Jesus, den Garten des Paradieses. Mann und Frau haben den Garten des Paradieses in Würde und Frieden gelebt, bis sie meinten beurteilen zu müssen, was gut und was böse ist.

 

In dieser Geschichte aus dem Buch Genesis erkennen wir, dass wir die Entscheidung, was gut und böse ist, was richtig oder falsch ist, eigentlich Gott überlassen sollten. Damals fing das Verhängnis an. Deshalb mussten Adam und Eva das Paradies verlassen. Wenn man nämlich die Stelle im Buch Genesis Kapitel 3 Vers 23f liest,  da heißt es:  „Da schickte Gott der HERR , ihn aus dem Garten Eden weg, damit er den Erdboden bearneite, von dem er genommen war.“

 

Gott lässt sie aber beim Verlassen des Paradieses nicht allein. Er ist mit ihnen aus dem Paradies mitgegangen.

 

Mit der Begegnung Maria von Magdala und Jesus sind wir wieder im Garten und ein Mann fragt sie:  Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast! Dann will ich ihn holen. Jesus sagte zu ihr, Maria! Da wandte sie sich um,…“ (Joh 20, 15-16a)

 

Maria dreht sich um, sie nimmt also einen anderen Blickwinkel ein. Dieses Drehen um die eigene Achse geschah binnen einer Sekunde, aber in dieser Magdalenensekunde, wie man das auch nennen kann, erfährt Maria, was Auferstehung ist. Die Begegnung unseres menschgewordenen Gottes mit Maria von Magdala im Garten ist die Manifestation der Auferstehung Jesu. Ich frage mich, ob damit nicht jetzt das Paradies von Neuem beginnt?

 

Auferstehung heißt, im gelingenden Gespräch zwischen Mann und Frau, im Garten, der an das Paradies erinnert, zu erkennen, dass das Leben nach dem Tod weitergehen wird. „Jesus sagt dann zu ihr: Halte mich nicht fest;“ (Joh 20,17a)

 

Er wird damit selbst zum Verkünder der Auferstehung. Er sagt weiter: „Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich geh hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott,…“ (Joh 20,17b) Jesus selber, erklärt, dass er von Gott gekommen ist, um die Menschen den Weg vom irdischen Leben zum ewigen Leben über die Schwelle des Todes zu begleiten. Seit diesem Augenblick, seit dieser Magdalenensekunde kann das Gespräch zwischen Mann und Frau zwischen Gott und Mensch gelingen, wenn der Mensch sich darum bemüht. Wo bist du, Gott?  fragen wir vielleicht in manchen unserer Lebenssituationen? Wenn aber hinter dieser einen Frage unsre ganze Sehnsucht nach Leben steckt, wird Gott sie mit einem Leben in Ewigkeit beantworten, und zwar für jede und jeden von uns. 

 

Amen.

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