Karfreitag 2023
Predigt
Karfreitag
Freitag, 07. April 2022, 19.00 Uhr
Dom zu St. Pölten
Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz, St. Pölten
- Lesung: Jes 52,13-53,12 Lesung: Hebr 4,14–16; 5,7–9
Passion: Joh 18,1 – 19,42
„Und er neigte das Haupt und übergab den Geist.“ Nach diesen Worten sind wir alle auf die Knie gegangen und irgendwie ist spürbar: Uns, die wir da sind und das hören, schenkt er seinen Geist. Wir haben die Gnade des Glauben-Könnens, dass auf uns, dieser sein Geist übergeht und wir seiner Liebe glauben. Einer Liebe, die die Menschen leiden kann. Alle, die ein Leid erfahren, die Not hatten, werden heute gewürdigt. Unter den Armen des Gekreuzigten darf sich jeder Mensch einfinden heute. Die unschuldig Leidenden, die Opfer von Unrecht sind, die Gegeißelten und Gemarterten, die in abgründiger Gewalt aufschreien unter den Armen des Gekreuzigten. Jedem Menschen gilt seine Liebe und für jeden Menschen gibt er seinen Geist, haucht das Leben wie den Atem der Liebe aus, damit der Mensch die Kraft hat, aus der Anonymität des Leidens herauszusuchen, wo Hilfe sein kann.
Viele tragen persönlich ein Kreuz. Manche in ihrer Sorge um Kinder. Manche um altgewordene Eltern, manche in der Partnerschaft füreinander, weil sie mitfühlen, die andere, der andere, hat eine innere Not und irgendwie ist ein Schleier der Trauer auf der Seele. Jesus von Nazareth zeigt einen Gott, zu dem man schreien kann. Einen Gott, der durch ihn seinen Geist den Menschen gibt. In die Dunkelheit von Schuld hinein, in die Machenschaften von Tätern, in das gegeneinander laufen von Mitläufern, in die Abgebrühtheit von Zuschauern, in das Böse in uns hinein, liebt ein Gott den Menschen. Schiebt ihn nicht zur Seite, sondern hält es aus, auch im Leiden noch ein Liebender zu sein. Nicht zurückzuschlagen, sondern den Menschen zu unterstellen, dass selbst in dem, der den anderen ans Kreuz schlägt, ein Mensch ist.
Er hat das Gebot der Feindesliebe vorgegeben und bis in die letzte Bösartigkeit seiner Gegner hineingelebt. Er hat erduldet und getragen, ohne heimzuzahlen, oder auszuteilen. „Vergib ihnen“, heißt es im Lukasevangelium „sie wissen nicht, was sie tun.“ In dieser Haltung der Vergebung liegt der Schlüssel der Heilung beschädigter Beziehungen.
Manche finden es anstößig, dass der Gekreuzigte so entblößt und festgenagelt gezeigt wird. Wir sind vergebungsbedürftige Menschen. Und im gnadenlosen Klima der Rechthaberei schenkt der Gekreuzigte einen Neuanfang. „Er hat niemand, den er um Gnade bitten könnte. Der stolze Glaubenslose! Er kann vor niemand niederknien: sein Kreuz“. Sagt Elias Canetti und weiter: „Das Schwerste für den, der an Gott nicht glaubt: dass er niemand hat, dem er danken kann und niemand hat, vor dem er in die Knie gehen kann.“ ( Elias Canetti, Die Fliegenpein. Aufzeichnungen, München 1992, 64. Vgl.
Ders., Das Geheimherz der Uhr. Aufzeichnungen 1973–1985, München 1987, 126)
An dieses Wort dachte ich vorhin, als sie alle, auch ich, auf die Knie gegangen sind, als es geheißen hat „er übergab seinen Geist.“ Wir können vor ihm, unserem gekreuzigten Gott, der gekreuzigten Liebe, in die Knie gehen. Für uns selber und auch für Menschen, die das augenblicklich nicht können, aber dringendst diese zuwendende Liebe nötig hätten. Holen Sie an ihr Herz in dieser Stunde Menschen, wo Sie wissen, die kommen nicht zurecht. Die schreien auf, oder die schreien nicht mehr. Die können vielleicht nicht mehr weinen, weil sie es so schwer haben. Holen wir herein Menschen, die in der Gewalt des Krieges vereinsamt sterben. Holen wir herein auch die Täter, Aggressoren und die, die anderen nach dem Leben trachten. Die Welt braucht heute den Karfreitag, das Sterben eines Gottes, der ein Liebender ist.
Und wir dürfen das Hören, vor ihm in die Knie gehen und sagen: „Gott, wir danken dir, dass du so konsequent bist in der Liebe.“ Wir wissen, dass war ein Ort vor den Toren der Stadt. Die Ritter und Damen vom Heiligen Grab zu Jerusalem, die heute den Gottesdienst mitfeiern, kennen die Grabeskirche. Wenn man in die Grabeskirche hineingeht und dann schaut man hinauf auf Golgota, dann weiß man: da ist dieser Felsen und da geht es dann weiter zu dem Garten, in dem die Schöpfung neu beginnt. In einen Garten haben sie das Grab gelegt, wo dann Neuschöpfung des Lebens beginnt. Weil wir um den Ostermorgen wissen, halten wir den Karfreitag aus. Und atmen die Hoffnung hinein, in eine Welt, die den Geist Jesu ganz dringend braucht.
Er übergab seinen Geist im Sterben und hauchte uns an. Und wenn wir vor ihm in die Knie gehen und hier feiern, dann nehmen Sie seinen Atem mit in vergebender, aufrichtender und versöhnender Liebe zu den Menschen, mit denen Sie leben.
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