Diözesan­bischof Dr. Alois Schwarz

03.03.2025

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Hirtenbrief Fastenzeit 2025


Predigt

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Zusage des liebevollen, von Gott geschenkten Lebens

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Jedes Jahr rund um den Frühlingsbeginn beginnt im kirchlichen Jahreskreis die Fastenzeit. Diese Wochen der Entlastung dienen einerseits dazu den Körper von den überschüssigen Kilos zu befreien und andererseits die Seele mit einem liebevollen und achtsamen Umgang zu bereichern.

 

Den Einstieg dazu kann das Sakrament der Versöhnung ermöglichen. In der Umgangssprache sagen wir dazu auch Beichte. Bedauerlicherweise verbinden viele ältere Menschen dieses Sakrament mit Demut, Scham und teilweise sogar mit Selbstbestrafung. Da haben sich die Vertreter der Kirche, auch viele Priester, in ihrer Überzeugung auf dem Weg zu Gott verirrt, wenn sie dieses Sakrament als Erziehungsmaßnahme eingesetzt haben. Das tut mir sehr leid, für all jene Menschen, denen es so ergangen ist.

 

Dennoch möchte ich Ihnen heute die Bedeutung des Sakramentes der Versöhnung von seiner Grundidee näherbringen, weil ich davon überzeugt bin, dass Ihnen darin die Liebe und Barmherzigkeit unseres Gottes widerfährt, sobald Sie sich darauf einlassen.

 

Im Zusammenhang mit der Beichte braucht es aber auch die Klärung des Begriffs „Sünde“, denn auch dieses Wort haben viele von uns, auf Grund der fehlenden klärenden Vermittlung, in ihre persönlichen, sprachlichen Archivschränke versperrt und wollen damit nicht mehr belästigt werden. Das Wort ist unzeitgemäß, nicht mehr modern und gehört aus unserem Sprachschatz gestrichen, so wird vielerorts – auch innerhalb der Kirche – argumentiert. Doch was ist damit eigentlich gemeint?

 

Sünde meint das Absondern, das Sich-Lossagen von den Menschen und damit von Gott. Dietrich Bonhoeffer schreibt dazu in „Gemeinsames Leben“ (1938): „Die Sünde will mit dem Menschen allein sein. Sie entzieht ihn der Gemeinschaft. Je einsamer der Mensch wird, desto zerstörender wird die Macht der Sünde über ihn, und je tiefer wieder die Verstrickung, desto heilloser die Einsamkeit. Sünde will unerkannt bleiben. Sie scheut das Licht. Im Dunkel des Unausgesprochenen vergiftet sie das ganze Wesen des Menschen.“

 

In unserem Körper erkennen wir die „Vergiftungserscheinungen“ relativ rasch, am Tag nach einer Feier, an der es Maßlosigkeit von Essen und Trinken gab. Doch auch unsere Seele zeigt uns diese „Vergiftungen“, beispielsweise, wenn wir zumeist missmutig gelaunt sind, wenn wir an Herausforderungen unzufrieden herangehen, wenn wir des Lebens überdrüssig geworden sind, weil wir keinen Sinn mehr darin erkennen können, wenn wir uns in die Einsamkeit zurückziehen und mit niemandem mehr Kontakt haben wollen, wenn wir die Schuld bei anderen suchen, wenn wir permanent mit allem Möglichen unzufrieden sind und vielem anderen mehr.

 

Das Sakrament der Versöhnung möchte uns aus der Verstrickung dieser Absonderung von Gott herausholen, und zwar nicht, weil der Priester uns das sagt, sondern weil Gott selbst es ist, der uns stellvertretend durch den Priester diese Versöhnung zuspricht. Wir entlasten unsere Seele mit dem mühevollen manchmal auch schweren Leid, das auf ihr liegt und können dann, durch die Gnade dieses Sakramentes, mit einem neuen Blick und Empfinden die nächste Etappe unseres Lebens meistern. Die Beichte, also das Sakrament der Versöhnung, ist nichts Geringeres als die Zusage des liebevollen, von Gott geschenkten Lebens auf Zukunft hin.

 

Dazu braucht es aber zunächst einmal ein Nachdenken, ein Reflektieren des eigenen Lebens. Silvia Plasser hat dazu im Umgang von Achtsamkeit für die Seele ein sehr praktikables 5-Finger-Modell kommuniziert. Sie verknüpft die fünf Finger einer Hand mit den dazugehörigen Fragen, die sich durchaus als Reflexionsmethode für das Sakrament der Versöhnung anwenden lassen. Mit dem Daumen verbindet sie die Fragen: Was gelingt mir in meinem Leben? Was läuft gut? Mit dem Zeigefinger signalisieren wir: Worauf möchte ich in meinem Leben hinweisen? Worauf möchte ich meinen Fokus legen? Der Mittelfinger steht für: Was widert mich in meinem Leben an? Was kostet mir Kraft und macht mich einsam? Mit dem Ringfinger fragen wir: Wie geht es mir in der Beziehung zu mir, zu meinen Mitmenschen und zu Gott? Und mit dem kleinen Finger schließlich fragen wir danach: Was soll noch wachsen? Was darf noch größer werden?

 

Diese Fragen können zu einem Tages- bzw. Wochenritual werden, die dann mündlich oder schriftlich festgehalten werden. Damit kommen wir uns im Wahrnehmen und Erspüren unserer Seele näher. Natürlich können wir dieses hilfreiche Instrument dabei belassen.

 

Durch das Sakrament der Versöhnung aber, werden wir zudem noch in die große und freiheitsschenkende Liebe, Barmherzigkeit und Verzeihung unseres Gottes hineingenommen, der uns zeigt, dass wir Menschen nicht allein sind. Was immer uns Menschen im Leben nicht gelungen ist, was uns an uns selbst anwidert, was noch wachsen darf, Gott liebt uns, so, wie wir sind. Durch das Sakrament der Versöhnung nehmen wir mit Gott die Verbindung auf. Wir glauben daran, dass wir Menschen eingebettet sind in ein größeres Ganzes, in dem wir geborgen und getragen sind. Wir glauben daran, dass wir Menschen in all unserem Tun und Denken nicht allwissend und vollkommen sind. Gott lässt uns teilhaben an seinem Leben und will uns in seine Liebe hineinführen. Das entlastet uns und lässt uns unseren Blick darauf lenken, was wesentlich ist: Die Liebe und Barmherzigkeit dort zu leben, wo uns das Leben vorgesehen und erwünscht hat.

 

Durch das Sakrament der Versöhnung wird uns wieder neu der Sinn unseres Daseins geschenkt. Ich lade Sie ein, Schwestern und Brüder, sich im Zugehen auf das kommende Osterfest auf die Erfahrung mit dem Sakrament der Versöhnung einzulassen. Mögen Ihnen damit heilende Begegnungen geschenkt werden.

 

Eine gesegnete Fastenzeit!

 

Ihr
Dr. Alois Schwarz Diözesanbischof

Hier finden Sie den Fastenbrief zum herunterladen.

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