Diözesan­bischof Dr. Alois Schwarz

13.09.2019

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"Damit mehr Liebe in die Welt kommt": Predigt Polizeiwallfahrt Mariazell 2019


Predigt

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(1. Lesung: 1 Tim 1,1–2.12–14 Evangelium: Lk 6,39–42)

 

Die Schrifttexte für unseren Gottesdienst haben wir nicht extra ausgesucht. Das Evangelium und die Lesung. Diese Texte werden heute in allen katholischen Kirchen gelesen, deshalb haben wir das genommen, auch die Geschichte mit Timotheus, den Paulus da so liebevoll anredet und dann sagt: „Ich danke dem, der mir die Kraft gegeben hat. Er hat mich für treu gehalten und in seinen Dienst genommen. Ich habe Erbarmen gefunden, so überreich und übergroß war die Gnade unseres Herrn.“ (Vgl. 1 Tim 1,12–14) 

 

Vielleicht kommt Ihnen das auch so überreich und groß vor, die Gnade unseres Herrn, wenn Sie sich in Ihre Lebensgeschichte hineindenken und dann spüren, was das für ein Geschenk ist, dass man heute am Nachmittag, bei so einem Sonnenschein, da in Ruhe in der Kirche sitzen darf und nichts arbeiten muss. Und da gibt es noch dazu viele, die haben jetzt die Gebete in den Füßen – aber Sie sind ja durchtrainiert, Sie spüren das nicht so. Sie haben die Gebete in den Füßen, weil Sie zu Fuß hierher gepilgert sind.! 

 

Wir sind jetzt da – jede und jeder mit seiner ganz persönlichen Lebensgeschichte; wir sind da, jede und jeder so mit seinem eigenen Gottesbezug! Und der ist ja ganz individuell, aber irgendwie mit einer inneren Verbundenheit nach oben und mit einem Gespür: „So ein Heiligtum wie hier, das ist etwas Besonderes!“ „Das ist gebauter Glaube als Schutzraum für die Menschheit“, sage ich, „nicht nur für die Christen und Katholiken.“ Jeder Mensch, der da hereingeht, sagt: „Schön! Da fällt einem die Decke nicht auf den Kopf, wenn man da hereingeht, da wird das Herz weit!“ 

 

Da sieht man, dass die Welt, dort vorne, in der Weltkugel, im Mittelpunkt ist und dabei gehalten wird von einem Gott, der das Leiden in der Hand hält und trägt, dem nicht ausweicht, und sagt: „Letztlich ist das Böse durch den, der da gekreuzigt wurde, überwunden!“ 

 

Und all das verdanken wir einer Frau, die als junges Mädchen zu einer Zusage Gottes „Ja“ gesagt hat. „Ja“: Für mich unerklärlich und nicht begreifbar; ich sage „ja“, wenn Gott mir zutraut, dass ich ein Kind am Herzen trage, dessen Lebensgeschichte ich mir gar nicht ausdenken kann. 

 

Und jetzt sind wir da: In einem Haus, wo diese Mutter das Kind trägt, das Kind zeigt hin, wiederum auf die Welt, wenn wir dann schauen, hin zum Gnadenaltar. Und das Kind, das sie da getragen hat, ist dieser Mann aus Nazareth, der mit seiner Gottverbundenheit und Lebensweisheit der Welt einen Weg gezeigt hat, zu einem Miteinander im Frieden, in Wertschätzung, in Menschenwürde, der der Welt einen Weg gezeigt hat, wo er deutlich gemacht hat: „Der Tod hat nicht das letzte Wort! Es geht darüber hinaus.“. Wir Menschen gehen vom Tod zum Leben. Ich habe an das gedacht beim Herfahren. Ich habe am Annaberg auch angehalten, habe wieder die Gedenktafel gelesen: „Im Gedenken an die Polizisten Johann Ecker, Manfred Daurer, Roman Baumgartner und den Rettungssanitäter Johann Dorfwirth, die in Ausübung ihrer Pflicht am 17. September 2013 ihr Leben lassen mussten.“ 

 

Kurz nach so einer Wallfahrt hier, 2013. Das Sterben des Menschen führt zum Leben, aber das kann man nicht so hineinsagen. Sie sind mit dem oft konfrontiert: Sie sind konfrontiert mit Menschen, die eine solche Unbekümmertheit haben, auch manchmal  einen so leichtfertigen Umgang mit dem Leben haben. Sie werden in Lebenssituationen hineingezogen, wo nur der Aufschrei manchmal bleibt, die Klage, um wortloses Beisammensein und Zusammenstehen. Sie, die Sie auf Menschen zugehen; im Bildwort des heutigen Evangeliums gesprochen: in brüderlicher, geschwisterlicher Zurechtweisung, maßvoll im Bewusstsein der eigenen Fehler, um nicht zu entmutigen, anderen den rechten Weg zeigen, (vgl. Lk 6,37–42) in einem Land, in dem wir in ungeheuer großer Sicherheit durch Ihren Dienst miteinander leben dürfen. 

 

Sie ermöglichen es, dass man sich in Österreich sicher fühlen darf. Freilich, Sie denken schon: „Bischof, so einfach ist das nicht!“ Ich weiß das schon, nein, ich erahne es, verstehen Sie? Was hat den unsereiner für eine Ahnung letztlich von Ihren schwierigen tagesaktuellen Begegnungen, wenn Sie so hineingezogen werden in die Unbekümmertheit mancher Menschen, wo man denkt: „Mein Gott, wie die miteinander umgehen!“ 

 

Jene, die Kinder heim bringen, die den Eltern gar nicht abgegangen sind; wenn Sie Kinder wegnehmen müssen, die zu den Eltern jetzt einfach nicht mehr dazugehören können usw… Das alles nehmen Sie mit und die Bilder, die speichern Sie! Wir sind ja nicht Herren unseres optischen Gedächtnisses – etwas, was wir einmal sehen, in unserem Leben, das setzt sich fest und irgendwann kann es passieren, dass dieses Bild wieder auftaucht. Wir haben das nicht in der Hand und dann müssen Sie damit umgehen (lernen). Das ist das alles, was Ihnen zugemutet wird, dass wir Sicherheit in Österreich haben. Sie müssen Grenzen setzen, wo die Menschenwürde verletzt wird, wo in feindlichen Einstellungen die Menschen aufeinander zugehen, wo Argumente nicht mehr zählen, nur noch Emotion – Sie kennen das. Wo nur noch Emotion zählt, Neid und Wut und Hass und dann stehen Sie da, mitten drinnen und haben ein Wort zu sagen oder manchmal nur noch zu handeln, wo negative Gefühle so zu bösen Taten werden. 

 

Manchmal staunt man schon, wozu der Mensch fähig ist. Da denkt man sich: „Meine Güte, wozu der Mensch heute fähig ist!“ Das gilt zunächst einmal auch verbal; manchmal staune ich schon, was in Österreich alles an verbaler Abwertung zugelassen wird. Das führt dann zu Handlungen. Wann immer ein bestimmtes Niveau in der Sprache unterschritten wird, dann meinen manche Menschen, man kann das auch tun, was man spricht und dann wird es unbequem. Nein, nicht nur das, dann wird es unmenschlich, dann geht das gegen die Menschenwürde und dagegen gilt es aufzutreten, ein Wort zu sagen, Räume zu schaffen, wo eine andere Gesprächsatmosphäre entsteht und sagen: „Man darf halt nicht alles tun, was manche meinen, dass sie ausprobieren müssen.“ Vielleicht haben manche in Ihrer Erziehung zu wenig Widerstand erfahren, dass sie nachher austesten, wie weit sie gehen können, um zu schauen: „Schaffe ich das auch noch?“ Und da, in dieser Situation, stehen Sie drinnen. 

 

Ich beschreibe einfach ein paar Situationen, weil ich da hinein jetzt meinen Dank sage, meine große Wertschätzung für Ihren Dienst in unserem Land. Meinen großen Dank der Polizei, der Polizeiseelsorge und dem Miteinander, das da entsteht. Ich sage es Ihnen ehrlich: „Polizei ist mehr als ein Beruf, das ist Persönlichkeitsbildung.“ Sie müssen ja sehr sozial sein, müssen kommunikativ sein, werden in Konflikte hineingezogen und müssen sofort Konfliktmanagement betreiben, in großer Eigenverantwortung, mit einer Wahrnehmungsfähigkeit, wo ich manchmal nur so staune. In Sekundenschnelle müssen Sie entscheiden, was jetzt zur Deeskalation beiträgt oder was jetzt dazu führen kann, dass das hilfreich ist. Das ist Persönlichkeitsbildung und dafür danke ich Ihnen, dass das in Ihren Reihen so großgeschrieben wird, diese Prägung des menschlichen Herzens, dass Sie zuverlässig, belastbar und glaubwürdig den Dienst der Sicherheit in Österreich vollbringen. 

 

Ich bin froh, dass ich Ihnen diesen Dank vor der Gottesmutter sagen darf. Und ich sage: „Muttergottes von Mariazell! Es ist doch schön, wenn du auf deine Familie in Österreich schaust, dass du Frauen und Männer hast, die aus Ihrer Herzenskraft heraus diesem Land zusichern, dass die Menschen es gut haben miteinander.“ Dafür sage ich heute Dank und von Seiten des christlichen Glaubens her und des Evangeliums her darf ich Ihnen zusprechen, dass der, den wir Gott nennen, die Kraft hat, Ihr Herz sensibel zu machen, denn dafür sind wir ja da. Wenn man uns fragt: „Bischof, warum bist du da? Warum gibt es die Kirche?“ Dann gibt es eigentlich nur eine Antwort: „Damit mehr Liebe in die Welt kommt – dafür sind wir da.“ 

Damit mehr Liebe in die Welt kommt und ich nenne jetzt dieses Wort: Damit Liebe in die Welt kommt, machen Sie Ihren Dienst. Ich habe diesen Satz nicht am Anfang gesagt, sondern jetzt, wo ich versucht habe, mich so vorzutasten, dass das nicht zur Formel wird – ich verstehe es nicht als Formel. Aber letztlich leben Sie das und dafür bin ich dankbar, da sind Sie SchülerInnen unseres Meisters Jesus Christus, der gesagt hat: „Jeder aber, der alles gelernt hat, wird wie sein Meister sein.“ (Lk 6,40) Sie sind in der Verlässlichkeit der Ausübung Ihres Dienstes an den Menschen wie der Meister Jesus, der schlichtet, aufrichtet und schaut, dass mehr Liebe in die Welt kommt.

 

Amen.

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