Diözesan­bischof Dr. Alois Schwarz

24.12.2020

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Christmette – Dom zu St. Pölten


Predigt

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Liebe Schwestern! Liebe Brüder!

 

Am Beginn des Evangeliums hat es geheißen: „Es geschah aber in jenen Tagen, dass Kaiser Augustus den Befehl erließ, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen.“ (Vgl. Lk 2,1) Der, der die Länder um das Mittelmeer herum regiert, hat Interesse an Zahlen; Zahlen zählen, deshalb braucht er Steuerlisten, damit er weiß: „Wer gehört zu meinem Reich? Wer hat Abgaben zu leisten?“ Der, an dessen Geburtstag man im ganzen Land Feiertag hat. Er, der sich gleichsam als Messias, als Retter, ausrufen ließ, zählt, und bringt die Menschen auf die Straße.

 

Sie sind unterwegs, die jungen Leute hier, aus Nazareth in Galiläa in die Stadt Davids nach Bethlehem, um sich eintragen zu lassen, weil Joseph aus dem Geschlecht Davids stammt. Sie gehen also von Nazareth nach Bethlehem, das wird jetzt die Hauptstadt der Welt: Bethlehem, Haus des Brotes, wie es heißt. Denn dort beginnt eine neue Zukunft. Dann heißt es wieder: „Es geschah, als sie dort waren, dass sie gebären sollte und sie gebar ihren Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe.“ (Vgl. Lk 2,6f.) Später werden sie ihn in Leinentücher einbinden und ins Grab legen. Jetzt ist die Mutter allein hier mit Joseph. Sie wickelt das Neugeborene in Windeln und zu der Zeit kommen die himmlischen Boten zu den Hirten und verkünden ihnen eine große Freude. (Vgl. Lk 2,8ff) Dichter dieser Zeit sprachen vom „Goldenen Zeitalter“ und auch von Hirten. Die Hirten haben keine Angst, dass ihre Schafe vielleicht verloren gehen könnten, wenn sie sich auf den Weg machen: Sie gehen. Eine von Rom aus gesteuerte Welt ist nicht menschenzentriert, sondern zahlenzentriert, diese von Rom aus, vom Machtzentrum aus gesteuerte Welt, wo die Kaiserpropaganda herrscht. Der Kaiser, der den Titel „Augustus“, den Titel „Retter“ trägt, den ihm der Senat zugesprochen hat. 

 

Dort, in dieser Welt heißt es: „Ein Kind in Windeln gewickelt ist der Retter der Welt.“ (Vgl. Lk 2,11f.) – Die Gegenwart wird menschlich. Wir feiern eine Verheißung: „Gott in der Niedrigkeit.“ Mit dieser Geburt wird den Menschen gesagt: „Du bist auf der Welt um zu leben, um geboren zu sein.“

 

Hannah Arendt [1] formulierte, dass der Mensch da ist, um geboren zu werden, nicht um zu sterben, sondern um etwas Neues anzufangen.

 

In den letzten Wochen habe ich ja manchmal gehört: „Herr Bischof! Wenn der Mensch geboren wird, dann ist sein/ihr Leben darauf aus, dass er/sie stirbt.“ – Nein! Seit dem heutigen Evangelium sagen wir: „Nein! Der Mensch ist nicht darauf aus, dass er/sie stirbt, sondern dass er/sie lebt und dass er/sie mehr Leben hat.“ Wann immer sein/ihr Leben irdisch begrenzt ist, ist mehr Leben oder der Himmel unsere Zukunft.

 

Das Gesetz des Geborenwerdens und des Lebens ist die Botschaft der heutigen Nacht. Dass man in die Welt Vertrauen haben kann und dass man für die Welt hoffen darf, ist vielleicht nirgends knapper oder schöner ausgedrückt, als in den Worten des heutigen Evangeliums: „Uns ist ein Kind geboren.“ Das gilt für das Kind in Bethlehem und das gilt auch für Sie und für mich: „Uns ist ein Kind geboren.“ In uns ist Gott geboren seit dieser Nacht von Bethlehem. Weihnachten ist Zukunftsansage für Mensch und Welt. Es zählen nicht die Zahlen, sondern das nach Liebe hungernde Gesicht des Kindes von Bethlehem, das der Menschheit unterstellt: „Menschheit, du bist eine liebende! Mutter, du lässt mich leben! Israel, du nimmst mich auf in der Gestalt Marias! Kirche, du gibst mir ein zu Hause!“ 

 

Wir sind auf der Welt geboren um zu leben! Uns ist ein Kind geboren! Zukunft ist unser Leben!

 

Amen.

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