Amtseinführung im Dom zu Sankt Pölten
Predigt
Hochwürdigster Herr Apostolischer Nuntius, lieber Herr Kardinal. Liebe Erzbischöfe, lieber Bischof Klaus, Bischöfe, Äbte und Domkapitulare!
Lieber Herr Nationalratspräsident, liebe Frau Landeshauptfrau!
Lieber Herr Superintendent und Repräsentanten der christlichen Kirchen!
Liebe Festgäste aus Niederösterreich, liebe Geschwister und Bekannte, liebe Mitfeiernde aus Kärnten, liebe Gläubige!
Für meinen Bischöflichen Dienst sind mir die Worte von Papst Franziskus wichtig:
Der Bischof muss immer das missionarische Miteinander in seiner Diözese fördern, indem er das Ideal der ersten christlichen Gemeinden verfolgt, in denen die Gläubigen ein Herz und eine Seele waren (vgl. Apg 4,32). Darum wird er sich bisweilen an die Spitze stellen, um den Weg anzuzeigen und die Hoffnung des Volkes aufrecht zu erhalten, andere Male wird er einfach inmitten aller sein mit seiner schlichten und barmherzigen Nähe, und bei einigen Gelegenheiten wird er hinter dem Volk hergehen, um denen zu helfen, die zurückgeblieben sind, und – vor allem – weil die Herde selbst ihren Spürsinn besitzt, um neue Wege zu finden. (Evangelii Gaudium 31)
- Vorne gehen: Den Weg aufzeigen und Hoffnung aufrecht erhalten.
- Mitten drin gehen: In schlichter und barmherziger Nähe mit dabei sein.
- Hinterhergehen: den Langsamen helfen und im Langsamen lernen.
In diesem dreifachen Dienst und dem Vertrauen, dass das Volk Gottes mit seinem Spürsinn neue Wege findet möchte ich dankbar für den Auftrag des Heiligen Vaters für alle in der Diözese St. Pölten Bischof sein.
Sie haben mit mir einen Bischof, der Sie schon in den letzten Wochen begleitet hat. Die Begleitmusik zu unserem gemeinsamen Start ist auch von Misstönen durchzogen, und es schmerzt mich und ich bedaure, dass dadurch auch Verwirrung herrscht. Ich danke allen, die für mich gebetet haben und weiter beten.
Als Mensch bitte ich Sie um ihr Vertrauen. Als Priester gestehe ich Ihnen, dass der Weg der Nachfolge Jesu die schönste Entscheidung meines Lebens ist. Als Bischof versichere ich Ihnen, dass ich mich für Strukturen und Prozesse einsetze, die jene Menschen, denen Leid und Schmerz widerfahren ist, nicht erneut zu Opfern machen. Die Debatte und der Umgang mit dem Thema Missbrauch und sexueller Gewalt fordert uns alle – uns als Kirche wie auch jede andere Gesellschaftsgruppe. Wir alle sind dazu aufgerufen, hinzuschauen, heute mehr denn je.
Als Bischof werde ich mich auch weiter dafür einsetzen, dass geeignete Frauen und Männer in leitenden Funktionen in unserer Kirche arbeiten.
Als Mensch will ich mit dem Blick auf Christus aufrichten und das Richtige machen. Als Bischof will ich die Verantwortung, die damit verbunden ist, nicht scheuen. Ich wende mich an sie alle, auch an die Kirche, um mich mit Ihnen unter das Bild des Gekreuzigten zu stellen, der uns erforscht und kennt.
Und mit Papst Franziskus darf ich sagen: „Wenn wir vor Gott die Wege unseres Lebens prüfen, gibt es keine Räume, die ausgeschlossen bleiben. In allen Bereichen unserer Existenz können wir weiter wachsen und sie etwas mehr Gott übergeben, auch dort, wo wir die größten Schwierigkeiten erfahren.“ (Gaudete et exsultate, Nr. 175)
Ich meine, dass ich verstanden habe, dass der Herr uns, und das sage ich jetzt für mich, aber auch die Priester, uns manchmal in verantwortliche Positionen bringt, damit wir immer wieder erfahren, dass wir von uns aus schwach, zerbrechlich, mühselig und beladen sind. Im Blick auf die vielen drängenden Nöte der Menschen um uns, merken wir auch unsere Grenzen und Unzulänglichkeiten. Was wäre nicht alles zu tun.
Ich versichere Ihnen: Ich werde mich mit all meinen Kräften einsetzen für die Kirche in diesem Land und die Menschen in all ihren Bedrängnissen und Nöten.
Den Weg, den Bischof DDr. Klaus Küng in so großer Ruhe und Bedächtigkeit gegangen ist, werde ich weitergehen. Ich danke dir, lieber Bischof Klaus, für alles, was du aufgebaut hast und wie du die Menschen auf dem Weg der Heilung und der Heiligung begleitet hast. Ich danke auch allen, die mit ihm das Leben der Kirche in der Diözese St. Pölten gestaltet haben und ihn unterstützt haben. Ich freue mich über Weihbischof Dr. Anton Leichtfried, der als Bischofsvikar für die Priesterfortbildung und kirchliche Erwachsenenbildung auch in Zukunft Sorge tragen wird. Dankbar bin ich, dass der bisherige Generalvikar Prälat Mag. Eduard Gruber auch mir als Generalvikar zur Seite steht. So darf ich heute ihn auch als den neu ernannten Generalvikar vorstellen.
In dieser Feier bin ich in besonderer Weise mit den Äbten und den Stiften verbunden, den Ordensleuten, den Diakonen und nicht zuletzt meinen lieben Mitbrüdern im priesterlichen Dienst. Erst diesen Freitag hat eine Priesterweihe hier im Dom stattgefunden, die mich persönlich sehr freut.
Ein persönlicher Gruß gilt heute den kranken, den bedrängten, den mit Arbeit überlasteten Priestern. Den alten Priestern und den von auswärts gekommenen Seelsorgern danke ich von ganzem Herzen.
St. Pölten ist eine kirchliche Wirklichkeit, in der 6500 Pfarrgemeinderäte in 422 Pfarren den Blick auf das Ganze einer Pfarre wachhalten. Als einer, der auch Pfarrer war, weiß ich um die vielen Hoffnungsträger in den oft auch kleinstrukturierten Pfarren. Menschen, die unverdrossen ihren Glauben treu leben und zur Lebendigkeit und Anziehungskraft der Kirche vor Ort beitragen. Jeder Christ, der das Evangelium lebt ist ein Hoffnungsort des Lebens und ein seelischer Nahversorger für die anderen.
In dieser Stunde kommt damit eine weitere, besondere Verbundenheit zum Ausdruck: Die mit Ihnen, meine lieben kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit Ihnen, den Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten, den Religionslehrerinnen und Religionslehrern, und natürlich auch den Professorinnen und Professoren an den Hochschulen. Ich sende Sie in besonderem Maße hinein in die Welt. Sie sollen dort im Auftrag der Kirche das Evangelium bezeugen und Ihren eigenen ganz persönlichen Gottesglauben in Taten und Worten sprechen lassen. Den Alltag zu leben mit einer Spiritualität des Ausblicks auf Gott. Sie sind die Botschafter der Evangelisierung.
Ich danke allen, die sich in den letzten Jahren für asylsuchende Menschen eingesetzt haben. Manche sind jetzt traurig, weil die, für die sie gesorgt haben, keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben. Sie haben sich für sie eingesetzt und konnten sich jetzt nicht verabschieden, weil sie abgeschoben wurden. Ihrer Trauer möchte ich Raum geben, und ihre Bedenken möchte ich hören. Unsere Caritas ist in St. Pölten ein verlässliches Gesicht der Nächstenliebe.
Mein Zugang ist der, der auch im heutigen Evangelium deutlich wird. Auf die Menschen zugehen, mit ihnen Gott suchen und dann auf die Welt schauen. Mensch Gott Welt.
Zwei Begegnungen werden im heutigen Evangelium erzählt: Die Begegnung mit dem Synagogenvorsteher und unterwegs die Begegnung mit der kranken Frau, die daran glaubt, dass die Berührung des Gewandes Jesu genügt, um geheilt zu werden. Sie wagt den Schritt in der Anonymität der Menge – sie war ja aufgrund der Krankheit levitisch unrein und durfte nicht mit anderen zusammenkommen – Sie sieht in Jesus die letzte Möglichkeit geheilt zu werden, sie kommt zu Ihm und sie wird geheilt, wie sie gehofft hat.
Während Jesus ihr hilft und heilt, kommt die Nachricht, dass die Tochter des Vorstehers gestorben ist – lasset den Meister in Ruh, es ist schon zu spät.
Diese Situation wird vom Evangelisten benützt um zu zeigen, dass Jesus nicht nur von Krankheiten heilen kann, er kann sogar Tote zum Leben erwecken. Seit Jesus von Nazareth wissen wir, dass der Tod das Sterben beendet, aber nicht das Leben.
Als Bischof will ich ein Hörender sein. Ich will aufmerksam sein für die persönlichen Lebensgeschichten, die eingebettet und schicksalhaft verwoben sind mit den großen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit. Ich will dabei vor allem jenen zuhören, deren Stimme gewöhnlich übertönt wird und ihnen meine Stimme schenken.
Es sind große Fragen, die uns in Kirche und Welt gleichermaßen bewegen und in denen Verantwortungsträger in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gefordert sind. Einige dieser Fragen haben wir Bischöfe vor kurzem erst gemeinsam formuliert:
Wird es angesichts grundlegender technischer Veränderungen künftig noch für alle Arbeit geben, von der Menschen leben können und die Sinn stiftet?
Können in Zukunft alle Menschen auf ein Solidarnetz vertrauen, das bei Schicksalsschlägen, in Krisenzeiten und im Alter trägt?
Werden Kinder und Jugendliche in den Glauben hineinwachsen, sich an diesem Glauben vielleicht in ihrem Erwachsenwerden auch abarbeiten, aber der Kirche nicht den Rücken zukehren?
Werden junge Menschen ihren Traum von einem geglückten Leben als Familie mit gemeinsamen Kindern leben können?
Werden jene Kinder, die nicht unseren gesellschaftlichen Normen von Leistungsfähigkeit und Gesundheit entsprechen, weiter auf die Welt kommen dürfen?
Werden aus den Familien und durch konkrete Begegnungen mit Menschen auch in unserer säkularen Welt weiter geistliche Berufungen entstehen können?
Werden die Menschen im Alter jemanden haben, der Ihnen zu Seite steht und ihre Hand im Sterben hält? Werden wir die Zeit und die Pflege zulassen, die es eben braucht, bis ein Mensch sein Lebensende erreicht?
Werden die Schwächsten unter uns gehört und verstanden werden?
Werden Menschen, die vor Verfolgung und Krieg flüchten, weiterhin Aufnahme und Integration erwarten können?
Verstehen sich die Bürger unseres Landes auch in Zukunft als Glieder einer Menschheitsfamilie, die solidarisch zueinander steht?
Kann das friedliche Zusammenleben in unserer vielfältigen Gesellschaft erhalten werden und weit über unsere Grenzen ausstrahlen?
Werden wir unseren Lebensstil so verändern, dass wir nicht Raubbau an der Zukunft unserer Nachkommen und der Schöpfung betreiben?
Und heute, an einem Sonntag, dem ersten Tag der Woche und gleichsam am achten Tag nach christlicher Zählweise stelle ich eine weitere Frage:
Werden die allermeisten Menschen in diesem Land weiterhin am Sonntag gemeinsam ruhen und den Tag des Herrn heiligen können, damit er zum Heil und Segen für alle wird?
Ich lade Sie ein, den Menschen und seine Nöte zu suchen und Sie werden Gott finden – in der Welt so wie sie heute eben ist.
Viele Menschen lassen sich vom Mangel an Hoffnung leiten, sie glauben kaum mehr an die Kraft Jesu, uns wieder lebendig zu machen. Denen gegenüber steht Jesus und zeigt uns den Weg: Ich sage Dir, steh auf!
- Steh auf Mensch, es ist möglich den Tod der Sünde, den Tod der Angst und den Tod der Entmutigung zu überwinden!
- Steh auf Kirche, es ist möglich zu hoffen, auch wenn Fehlhaltungen und Machtspiele unserer Glaubwürdigkeit geschadet haben und schaden!
- Steh auf heutige Gesellschaft, das Leben in Fülle ist mehr als Gewinnmaximierung, Geld und Konsum!
Auf den Menschen in der Welt von heute zugehen, ihn nach seiner Hoffnung und Not fragen, ihm mit Jesus Christus nahe sein, Gott in ihm und mit ihm entdecken und die Welt mit den Augen Gottes sehen, der unübertrefflich einfühlsamen Liebe: das soll unser gemeinsamer Weg sein.
Sinnerfüllung und Lebensreichtum ist dort, wo es gelingt Wurzeln zu schlagen, wo soziale Netzwerke und nachbarschaftliche Beziehungen helfen, die verborgenen Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte der Menschen ins Licht zu tauchen und wo dank Kunst und Kultur, Religion und Spiritualität das Weinen über die Wunden und das Staunen über die Wunder des Lebens Raum finden.
Geben wir dem Denken und dem Tun, dem Glauben und dem Beten, der Hoffnung und den Träumen Heimat in der Kirche in Niederösterreich, in der Kirche in der Diözese St. Pölten.
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